Donnerstag, 19. Mai 2011

Brief vom Reza Haftbaradaran, der Vater von Saba Haftbaradaran








Übers Verlassen der Seele wird viel gesagt

Ich sah mit eigenem Auge, dass meine Seele mich verließ

Persischer Dichter Saadi

Am Samstag, den 9.April, um 5:30 Uhr kam einer meiner 3 Bewacher im Krankenhaus

ADNAN in Bagdad aus der Intensivstation heraus und sagte zu mir kaltblütig: „Deine Tochter

ist tot.“ Der Tenor war so, als hätte man ihm die ganze Welt gegeben; und mein Zustand so,

als hätte man mir die Seele entnommen. Nach 24 Stunden Verzögerung und Hinhalten, war es

ihnen gelungen, meine Tochter zu Tode zu foltern.

Die Erinnerungen an meine geliebte Tochter SABA von ihrer Geburtsstunde im berüchtigten

iranischen EWIN- Gefängnis bis zum letzten Mal, wo ich sie gerade vor 2 Wochen während

des iranischen Nowrouz- Festes in ASHRAF sah, gingen an meinem Auge vorbei. Aber all

diese Zeiten waren nicht länger als die Zeit, als ich von ihrer Verletzung erfuhr bis zu ihrem

Märtyrertod. Während dieser Zeit starb ich mit SABA durch und durch.

Nach dem die irakischen Aggressoren SABA gezielt angeschossen hatten, haben ihre Freunde

sie in die ASHRAF- Klinik gebracht, der die medizinische Grundausstattung fehlt. Die Kugel

hatte sie in Hüfte getroffen, die Arterie zerrissen und ihren Hauptknochen zerbrochen. Den

ASHRAF- Ärzten war gelungen, die äußere Blutung zu stoppen, dennoch konnten sie die

immer stärker werdende innere Blutung aufgrund fehlender medizinischer Ausstattung nicht

unter Kontrolle bringen. Als ich sie im Krankenbett besuchte, sagte sie, sie sei am Bein von

Schüssen getroffen worden und mich tröstend sagte sie: „Was auch immer das Ergebnis sein

mag, das ist ein noch hundertmal stärkerer Schlag gegen das in unserem Land herrschende

Regime.“

Die Ärzte haben gesagt, sie müsse unverzüglich in ein besser ausgestattetes Krankenhaus

transferiert werden. Wir sind in Richtung des „Krankenhauses neuer Irak“, das nichts anderes

ist als ein unter der Kontrolle der irakischen Einheiten stehendes Folterzentrum, geeilt. Zuerst

haben sie uns nicht reingelassen; nach einigen Stunden Zeitverlust haben wir sie endlich

überredet, dass wir diese Patientin in ein Krankenhaus nach Bagdad transferieren. Der

Krankenwagen verließ gegen 11:00 Uhr, nämlich 5 Stunden nach der Verletzung meiner

Tochter das Camp ASHRAF. Erstaunlicherweise dauert die 2 Kilometer Entfernung vom

Krankenhaus neuer Irak“ bis zur Hauptstrasse eineinhalb Stunden! Sie hielten uns siebenmal

auf dieser Strecke an, um aus verschiedenen Gründen auch immer Zeit zu vergeuden. Ich

habe durch das Fenster des Krankenwagens nach außen geschaut und sah den „Dr. Omar

Khalid“, den Chef des „Krankenhaus neuer Irak“, der den Wagen angehalten hatte und mit

den irakischen Offizieren sprach, als wäre nichts passiert. Bei dem letzten Kontrollposten hat

ein irakischer Major den Krankenwagen angehalten und sagte, dass die Begleitpersonen ins

ASHRAF zurückkehren müssen. Auch hier mussten wir 45 Minuten warten, während der

Zustand meiner Tochter von Minute zu Minute schlimmer wurde. Ich sagte dem Offizier, dass

der Zustand der Patientin sehr kritisch sei. Er flüsterte aber seinem in der Nähe stehenden

Kollegen zu: „So ist es gut; auch wir wollen, dass sie alle sterben, und er sagt, dass ihr

Zustand kritisch ist.“ Man rief diesen Offizier mit dem Namen „Raed Yaser“

SABA ging sehr schlecht. Durch die innere Blutung hatte sich inzwischen auch die Form

ihres Beines verändert.

Im Empfangbereich des Baquba- Krankenhauses erklärten die Ärzte, SABA müsse sofort

nach Bagdad transferiert werden. Aufgrund des starken Blutverlustes erhielt SABA einen

Schock. Sie war ganz blass und ihre Zähne zitterten. An dieser Stelle sah der „sehr geehrte“

Raed Yaser“ die Situation passend, um mich noch mehr zu foltern und bot mir an, die

Volksmojahedin zu verraten. Raed Yasser kam zu mir und sagte:

Wenn Sie ihre Tochter retten wollen, dann verlassen Sie die PMOI und wir werden sofort für

die bestmögliche Behandlung sorgen. Wir werden Sie und Ihre Tochter in die besten Länder

bringen – Frankreich oder wohin immer Sie wollen.“

In diesem Augenblick fühlte ich als wäre vor mir, wie vor 30 Jahren im EWIN- Gefängnis,

ein Folterer und würde mit mir reden. Meine Antwort an ihn war klar. Ich habe mehrmals von

SABA gehört und wir hatten mehrmals zusammen gesungen: Wir werden uns verknechten

lassen! Der Major hat eine weitere eineinhalb Stunde Zeit vergeudet und dann hat er uns

erlaubt, nach Bagdad zu fahren. Als wir das Krankenhaus „Madina al-teb“ erreicht hatten, war

es 17:30 Uhr, 12 Stunden nach SABAs Verletzung. Dort haben sie uns eine weitere

eineinhalb Stunden warten lassen bis sie uns sagten: „Wir haben hier nicht die erforderlichen

Fachärzte, die die Operation durchführen können und Sie müssen in ein anderes

Krankenhaus gehen.“

Dass SABA direkt in ein Fachkrankenhaus transferiert werden musste, war auch denen im

Krankenhaus neuer Irak“ klar und sie wussten das.

Als wir das Krankenhaus Adnan erreicht haben, war SABA schon bewusstlos. Ein Offizier

und drei Soldaten haben mich die ganze Zeit wie einen Gefangenen bewacht und ließen nicht

zu, die Angelegenheit zu verfolgen und mit den Ärzten und Krankenschwestern zu sprechen.

Sie schickten die Soldaten, um die Sache zu klären, die aber nichts anderes taten, als Zeit zu

vergeuden. Da kam ein Arzt und sagte: „Sie müssen schnell Blut besorgen, ansonsten kann

das Schlimmste nicht verhindert werden.“ Sie verlangten von mir Blut zu besorgen, während

sie weder erlaubten, mich frei zu bewegen noch erlaubten sie mir meine Handy zu benutzen,

um in ASHRAF Blutspende zu fordern. Ein Soldat sagte, er gehe Blut zu holen, kam aber

Stunden später und sagte, er habe nirgendwo Blut finden können. Und dann schickte man

einen anderen Soldat und dieses Spielchen wurde mehrmals wiederholt. Ich sagte, lassen Sie

mich die normalen Bürger um Hilfe bitten und einen schicken, der Blut besorgt oder lassen

Sie mich die Besucher um Blutspende bitten, da kann doch jeder helfen, der die Blutgruppe O

+ hat, sie sagten das sei nicht möglich.

Vor meinen Augen schmolz SABA wie eine Kerze, als würde meine Seele von Moment zu

Moment meinen Körper verlassen. Meine Tochter verwelkte vor meinen Augen und sie ließen

nicht zu, irgendetwas für sie zu tun. In allen drei Krankenhäusern, sagten die Ärzte immer das

gleiche, als sie SABA sahen: „Warum sind Sie zu spät gekommen?“ Und ich konnte die Frage

selbstverständlich nicht beantworten, da der irakische Offizier irgendwie die Antwort parat

hatte. Sie machten aus einer normalen Wunde eine tödliche Wunde und haben ihre Mission,

meine unschuldige Tochter zu töten, vervollständigt.

Meine SABA wurde 1981 in Teheraner EWIN- Gefängnis geboren. Sie war zwei Jahre alt, als

sie freigelassen wurde. Über die Berge verließ sie den Iran und ging nach Deutschland. In

Deutschland ging sie zur Schule und absolvierte eine Ausbildung. Obwohl sie in Deutschland

volle Freiheiten hatte, sah ich sie aber überraschend eines Tages im Jahre 2000 in ASHRAF,

ich fragte hattest du Sehnsucht nach mir? Sie sagte: „Kann es sein, dass ich keine Sehnsucht

nach dir gehabt hätte! Ich bin aber gekommen, um mich zusammen mit den anderen

Mojahedin in ASHRAF für die Freiheit und Demokratie in meinem Land einzusetzen. Sie

widmete ihr Leben der Freiheit ihres Landes mit 29 am Morgen des 9.Aprils. Ihre Schwester

SARA ist hier in ASHRAF. SARA und ich schwören zusammen mit anderen Mojahedin,

ihren Weg fortzusetzen. Wie sie in den letzten Atemzügen ihres Lebens sagte: „Wir bleiben

bis Ende standhaft, wir werden bis Ende stehen bleiben.“

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