Freitag, 4. März 2011

Maryam Rajavi: Der Weg zu einem friedlichen und demokratischen Mittleren Osten kommt an einem Regierungswechsel im Iran nicht vorbei

Mittwoch, den 02. März 2011 um 19:16 Uhr

Die Ansprache auf der internationalen Konferenz in Paris – 26. Feb. 2011

Verehrte Gäste,

es ist mir ein Vergnügen, Sie alle zu sehen. Diese Konferenz findet in einem Augenblick statt, der in der Geschichte des Mittleren Ostens und der Geschichte Nordafrikas ungewöhnlich ist. Von Tunis bis Kairo, von Ben-Ghazi bis Teheran haben sich die Völker erhoben. Tripolis nähert sich der Freiheit – durch das Opfer von Hunderten von Toten. Die Menschen in Bagdad sind empört über die vom Krieg hinterlassene Verwüstung, den Verrat und die falsche Beschwichtigung. In Teheran gebietet die junge Generation dem Gespenst der Unterdrückung Einhalt. I
Ich grüße alle, die sich für Demokratie und Freiheit erhoben haben.

Wir wollen uns erheben, um sie zu ehren – besonders jene Helden, die am 14. und 20. Februar im Iran ihr Leben verloren haben: Saneh Jaleh, Mohammad Mokhtari und Hamid Nour-Mohammadi; wir wollen ihnen eine Minute lang applaudieren.


Liebe Freunde,

die Woge der Freiheit hat die ganze Region überschwemmt. Kein Land wird von ihr ausgenommen bleiben.

Wir müssen uns fragen, warum diese Aufstände so heftig sind.

Welche Faktoren hatten sie bis heute aufgeschoben?

Welchen Weg hat die westliche Politik gegenüber diesen Ländern verfolgt?

Welche Aussichten bieten sich ihnen, welche Verpflichtungen?

Die Wahrheit ist:

- Die Völker dieser Länder haben immer unter Diktatur, Armut und Korruption gelitten;

- ihre Grundrechte, ihre legitimen Forderungen und ihre demokratischen Ideale wurden auf schlimmste Art und Weise niedergetreten.

- Jahrzehnte lang haben Diktatoren, meistens als Staatspräsidenten figurierend, ohne Legitimation das Volk mit eiserner Hand regiert.

- Sie haben den Wohlstand dieser Länder ausgeraubt und ihre Ressourcen zerstört.

Lassen Sie mich, um das, was in dieser Region geschah, genau zu würdigen, ein wenig in der Geschichte zurückgehen:

1979 ereignete sich die iranische Revolution, geleitet von zutiefst demokratischen Zielen.

Warum wurde diese Revolution, anstatt die Region zur Demokratie zu inspirieren, zum Zentrum des Terrorismus und Fundamentalismus?

Weil Khomeini sich ihre Führung angemaßt hat.

Weil er durch Vernichtung der demokratischen Kräfte dieser Revolution eine religiöse Diktatur errichtet und die demokratischen Strömungen der Region als Geiseln genommen hat.

Das Regime hat den Krieg mit dem Irak vorbereitet und acht Jahre lang geführt; es ist zum Exporteur des Terrorismus und mithin zur größten Gefahr für die Region geworden.

Wie hat diese Bedrohung auf die Region gewirkt?

In all diesen Jahren hat das klerikale Regime nur darauf gelauert, die Spannungen und das Machtvakuum, wie es sich beim Übergang von der Diktatur zur Demokratie bildet, zu nutzen, um in den betroffenen Ländern von ihm abhängige Regierungen zu etablieren.

Dabei haben die Vereinigten Staaten und Europa sich für eine Politik der Beschwichtigung gegenüber dem iranischen Regime entschieden. Warum?

Zum einen, weil sie das Wesen des Fundamentalismus nicht verstanden haben.

Hinzu kamen ihre wirtschaftlichen und strategischen Interessen und Erwägungen.

Jedenfalls haben die Länder des Westens dem Regime den größtmöglichen Dienst erwiesen; sie haben ihm geholfen, seinen Einfluß auf die Region zu erweitern.

Zugleich haben sie die Diktaturen der Region unterstützt, um, wie sie behaupteten, die Verbreitung des Fundamentalismus zu verhindern.

Diese Situation verschaffte den Diktaturen der Region eine Aura der Legitimität.

Denn man meinte, ihr Sturz oder ernsthafte Reformen ihres Regimes würden zum Fundamentalismus und zu noch gefährlicherer Diktatur führen.

Mit einem Wort: Zwei Faktoren haben die Herrschaft der Diktaturen dieser Region verlängert:

1. das iranische Regime, der Pate des Fundamentalismus,

2. die verfehlte Politik der Vereinigten Staaten und Europas.

Ohne diese beiden Faktoren wären die Diktaturen der Region schon vor vielen Jahren gestürzt worden, und demokratische Tendenzen hätten sich auf natürliche Weise entwickelt.

Eben aus diesem Grund hat ihr gegenwärtiger Sturz einen so explosiven Charakter angenommen.

In dieser Zeit, da sich die Woge der Freiheit in der gesamten Region verbreitet, verlegt sich das klerikale Regime erneut auf das Warten im Hinterhalt.

Khamenei, der Höchste Führer des Regimes auf Lebenszeit, versucht, unter dem Banner des „islamischen Erwachens“ seine üblen Pläne weiter zu verfolgen.
Haben wir es wir es hier mit einem Teufelskreis zu tun? Mitnichten.

Ein Ausweg ist möglich und notwendig: der Sturz des menschenfeindlichen Mullah-Regimes und die Errichtung der Demokratie im Iran.

Wahrhaftig, die Zeit des Fundamentalismus und der Finsternis nähert sich ihrem Ende. Wir befinden uns in der Zeit der Demokratie und der Freiheit.

Liebe Freunde,

wir wissen: Der Westen ist, anstatt gegenüber dem Mullah-Regime, dem Zentrum des Fundamentalismus, eine entschiedene Haltung einzunehmen, vor ihm niedergekniet.

Zugleich hat er die wichtigsten Werte und Errungenschaften der Menschheit: Menschenrechte, Demokratie, Widerstand, Recht und Gesetz auf den Kopf gestellt und auf dem Altar der Beschwichtigung geopfert

Die Menschenrechte wurden von etwas, das man Realpolitik nannte, überschattet und dem Handel und der Diplomatie vor die Füße geworfen.

Man behauptete, die Demokratie laufe der Kultur und Religion der Völker des Mittleren Ostens zuwider, als wären sie seit je und für alle Ewigkeit zur Diktatur verdammt.

Der Widerstand, der der Freiheit gewidmet ist, wurde dadurch angeschwärzt, daß die größte Bewegung gegen Fundamentalismus und Terrorismus, die der Volksmojahedin, auf die Terrorlisten gesetzt wurde.

So wurden in den westlichen Ländern Recht und Gerechtigkeit mit Füßen getreten, denn man hielt Zugeständnisse an die Mullahs für wichtiger.

Der Terrorismus und Massenmord der Mullahs wurden ignoriert – von Beirut über Khobar bis nach Bagdad; denn sie hätten auf das geheiligte Ritual des Engagements einen negativen Schatten werfen können.

Der Begriff der Mäßigung wurde so verdreht, daß man eine Partei des religiösen Faschismus, der den Iran beherrscht, als maßvoll pries, obwohl er nur eine gemäßigte Fassade trug.

Auf diese Weise hat die westliche Politik den Weg zum Wandel im Iran blockiert und dem Regime den Weg zu Fortschritten in der Region eröffnet.

Schauen Sie nach Libanon, nach Palästina und vor allem in den Irak. Die Politik der Beschwichtigung hat es den Mullahs erlaubt, in diesem Land eine ihnen genehme Regierung zu etablieren; erst gestern wurde sie mit dem Zorn des Volkes konfrontiert.

Diese Politik ist der größte Irrtum, den der Westen seit dem Zweiten Weltkrieg begangen hat und kann nicht länger hingenommen werden.

Denn das Regime, das am meisten von der Beschwichtigung profitierte, befindet sich unmittelbar vor dem Zusammenbruch.

Der Westen hat hier erneut einen Fehler begangen, nämlich den zu glauben, die Situation im Iran werde sich in den Zustand zurückentwickeln, wie er vor 2009 bestand.

Wir sehen aber: Genau das Gegenteil findet statt: Die Aufstände breiten sich im Iran aus und kommen voran.

Am 14. Und 20. Februar sind die Demonstranten auf die Straße gegangen; ihr Mut hat die Welt beeindruckt. Jedermann hat gesehen: Sie haben nicht vom Regime eine Veränderung seiner Politik verlangt. Sie wollten nur eins: den gänzlichen Wechsel des Regimes.

Das Regime wird sich durch Unterdrückung der Freiheit nicht mehr an der Macht halten können.

Unlängst sagte Massoud Rajavi, der Führer des iranischen Widerstands: „Das Regime der Velayat-e faqih hat in den vergangenen 32 Jahren das Äußerste getan, um die historische Kluft zwischen ihm und dem 20. und 21. Jahrhundert mit seinen Galgen und Hinrichtungskommandos, sowie mit dem Export von Krise und Fundamentalismus zu überbrücken. Dennoch kann dies Regime keine Stabilität gewinnen.“

Wahrhaftig, die Ära des Mullah-Regimes nähert sich ihrem Ende. Jetzt beginnt die Ära des iranischen Volkes und der Freiheit.


Liebe Freunde,

was die Politik des Westens betrifft, so lag ihr nichts näher, als die PMOI auf die Liste terroristischer Organisationen zu setzen.

Durch dies Etikett erkennen die Völker des Irans und des Nahen Ostens die wahre Politik der Vereinigten Staaten und Europas.

Sie erkennen, wo der Westen steht: an der Seite des klerikalen Regimes oder an der Seite des iranischen Volkes?

In einer unnachgiebigen Kampagne hat der Widerstand Europa gezwungen, die PMOI von der Terrorliste zu streichen. Nun ist Amerika an der Reihe.

Mit Hilfe des Terror-Etiketts haben die Mullahs drei Jahre lang die Belagerung Ashrafs immer mehr verschärft.

Aus Angst vor der ermutigenden Wirkung, die Ashraf in den zurückliegenden Monaten auf die iranischen Frauen und die iranische Jugend ausgeübt hat, haben die Mullahs das Lager mehrere Male überfallen. Es ist jetzt ein Jahr her, daß das Mullah-Regime starke Lautsprecher rund um Ashraf angebracht hat, um einen schmutzigen psychologischen Krieg gegen die Bewohner des Lagers zu führen.

Während eine wirksame, weltweite Reaktion ausblieb, hat sich die Zahl der Lautsprecher inzwischen auf 210 erhöht.

Die Mullahs verhindern sogar den Zugang von vielen Medikamenten nach Ashraf.

Ihre Politik besteht jetzt darin, die Patienten Ashrafs durch Folter zu töten.

In den vergangenen Tagen haben sie versucht, innerhalb Ashraf noch mehr Sicherheitskräfte in Stellung zu bringen.

Das Europäische Parlament, die Parlamentarische Versammlung des Europarates und die Parlamente und Senate von 30 Ländern, darunter das amerikanische Repräsentantenhaus, haben in Erklärungen und Resolutionen auf den Status der Bewohner Ashrafs als den von im Sinne der 4. Genfer Konvention geschützten Personen aufmerksam gemacht und die Vereinten Nationen aufgefordert, den Schutz des Lagers erneut in die Hand zu nehmen sowie eine Gruppe der UNAMI zu ständiger Beobachtung nach Ashraf zu entsenden.

Ashraf ist für die Vereinigten Staaten und für die Vereinten Nationen ein Testfall. Ich rufe sie auf, sich an ihre Verpflichtungen zu halten.

Wahrhaftig, die Zeit des Schweigens und des Entgegenkommens geht zu Ende.

Jetzt ist die Zeit für Demokratie und Freiheit.


Liebe Freunde,

wir nähern uns dem Internationalen Frauentag, während im Mittleren Osten die Frauen für ihren Kampf gegen die Diktatur viel geopfert haben, um ihre Kampagne für Freiheit und und Gleichheit auf den Höhepunkt zu bringen.

Das Erstarken dieser Bewegungen erneuert das stärkste, wenn auch vergessene Verlangen unserer Gesellschaften: das nach der Gleichberechtigung der Frauen, nach den Menschenrechten, nach Freiheit und Demokratie.

Die Erfahrung des Iran unter der Herrschaft der Fundamentalisten zeigt: Der von ihnen ausgeübten Unterdrückung haben Frauen die größten Opfer gebracht.

Daher entfalten die Frauen eine ungewöhnliche Kraft zu kämpfen, und von ihnen kommt die stärkste Kraft des Wandels.

Daher sagen wir: Unter den vielen Faktoren, die die Morgendämmerung der Freiheit im Iran herbeiführen, ist der wichtigste die durchdringende Kraft der Frauen zum Wandel.

Diese Tatsache ist leicht zu sehen: Man muß sich nur ansehen, wie die Frauen gegen zwei Diktaturen gekämpft haben.

Während der letzten dreißig Jahre hat sich die iranische Gesellschaft auf den unermüdlichen Kampf der Frauen gegen den religiösen Faschismus verlassen können.

Zehntausende tapferer Frauen wurden während ihres Kampfes gegen das herrschende Regime entweder getötet oder gefoltert.

Homeira Ashraq wurde wie viele ihresgleichen von der Folter umgebracht. Das Herz von Tahereh Tolou wurde von einem Dolch durchbohrt; die Revolutionsgarden erhängten sie so, daß ihr Kopf von einer Klippe herabhing.
Shirin Alamhoui und Zahra Bahrami wurden unlängst in Teheran erhängt.

Und Neda, im vorigen Jahr das Symbol des Protests, starb mit offenen Augen in den Straßen Teherans.

Zugleich haben tausende tapferer Frauen in Ashraf die Stellung gehalten. Ashraf ist der Brennpunkt der Hoffnung für eine gefesselte Nation – es überlebt in qualvollen Umständen.

Auf der Grundlage der unschätzbaren Erfahrungen des iranischen Widerstandes sagen wir: Die aktive Teilnahme der Frauen an der Leitung ist unverzichtbar für den Kampf gegen den religiösen Fundamentalismus und die Diktatur.

Es ist möglich, den Fundamentalismus endgültig zu besiegen – aber nur durch diese Frauen. Sie sind es, die das Gesicht der Welt ändern werden.

Ich rufe alle meine Schwestern auf, überall in der Welt aufzustehen, um die Flammen des Widerstands, die in Ashraf und überall im Iran lodern, zu verteidigen.


Liebe Freunde,

lassen Sie mich meine Rede in einigen Punkten zusammenzufassen:

1. Der Weg zu einem friedlichen und demokratischen Mittleren Osten, in dem die Frauen und die Jugend die Rolle spielen können, auf die sie ein Recht haben, kommt an einem Regierungswechsel im Iran nicht vorbei. Ohne solchen Wechsel sind Demokratie und Stabilität in dieser Region unmöglich. Unter den gegenwärtigen Umständen ist der Regierungswechsel im Iran nötiger denn je. Ohne ihn müßte es in der Region zu Rückschritten kommen.

2. Die Lösung der iranischen Krise besteht weder in Beschwichtigung noch im Krieg. Unsere Option würde der ganzen Region zugute kommen: der demokratische Wandel durch das iranische Volk und den Widerstand.

3. Unsere Botschaft an unsere Schwestern und Brüder in Tunesien, Ägypten und Libyen und an unsere Brudervölker in Afghanistan und im Irak lautet: „Hütet euch vor den fundamentalistischen Mullahs, den Mördern der iranischen Frauen und der iranischen Jugend!“

4. Wenn die westlichen Länder in der neuen Geschichte des Mittleren Ostens eine positive Rolle spielen wollen, müssen sie in einem ersten notwendigen Schritt ihre Politik ändern: Sie müssen ihre Verbindung mit dem religiösen Faschismus durch eine Verbindung mit dem iranischen Volk ersetzen.

5. Der wichtigste Schritt, um die dem iranischen Volk schadende Politik aufzugeben, besteht für den Westen in der Anerkennung der Widerstandsbewegung des iranischen Volkes.

6. Internationale Sanktionen gegen das Regime sind ein positiver Schritt, reichen aber in keiner Hinsicht aus. Wir schlagen einige notwendige Maßnahmen vor: Vom iranischen Regime darf kein Öl mehr gekauft werden: an den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen muß ein Dossier über die Menschenrechtsverletzungen der Mullahs übergeben werden; jegliche Zusammenarbeit zwischen westlichen Geheimdiensten und dem Geheimdienstministerium der Mullahs muß aufhören; die Vertretungen der IRGC in Europa, Kanada und den Vereinigten Staaten müssen geschlossen werden.

7. Man muß die Alternative anerkennen, die der iranische Widerstand bietet. Diese Alternative hat die Mullahs herausgefordert und eine Grundlage für die Demokratie zur Verfügung gestellt: eine Demokratie mit Trennung von Kirche und Staat, eine pluralistische Demokratie, eine Gesellschaft, basierend auf der Gleichberechtigung der Geschlechter und der Achtung vor den Menschenrechten, in der die Todesstrafe und die Scharia-Gesetze der Mullahs abgeschafft werden, eine blühende Wirtschaft, basierend auf Chancengleichheit für alle, und einen nicht-nuklearen Iran, der mit allein seinen Nachbarn im Frieden lebt. Wahrhaft, die Ära der gescheiterten Revolutionen ist an ihr Ende gekommen. Jetzt ist die Zeit für Demokratie und Freiheit für das iranische Volk und die ganze Region.

Ich danke Ihnen allen.

den 26. Februar 2011

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