Übers Verlassen der Seele wird viel gesagt
Ich sah mit eigenem Auge, dass meine Seele mich verließ
Persischer Dichter Saadi
Am Samstag, den 9.April, um 5:30 Uhr kam einer meiner 3 Bewacher im Krankenhaus
ADNAN in Bagdad aus der Intensivstation heraus und sagte zu mir kaltblütig: „Deine Tochter
ist tot.“ Der Tenor war so, als hätte man ihm die ganze Welt gegeben; und mein Zustand so,
als hätte man mir die Seele entnommen. Nach 24 Stunden Verzögerung und Hinhalten, war es
ihnen gelungen, meine Tochter zu Tode zu foltern.
Die Erinnerungen an meine geliebte Tochter SABA von ihrer Geburtsstunde im berüchtigten
iranischen EWIN- Gefängnis bis zum letzten Mal, wo ich sie gerade vor 2 Wochen während
des iranischen Nowrouz- Festes in ASHRAF sah, gingen an meinem Auge vorbei. Aber all
diese Zeiten waren nicht länger als die Zeit, als ich von ihrer Verletzung erfuhr bis zu ihrem
Märtyrertod. Während dieser Zeit starb ich mit SABA durch und durch.
Nach dem die irakischen Aggressoren SABA gezielt angeschossen hatten, haben ihre Freunde
sie in die ASHRAF- Klinik gebracht, der die medizinische Grundausstattung fehlt. Die Kugel
hatte sie in Hüfte getroffen, die Arterie zerrissen und ihren Hauptknochen zerbrochen. Den
ASHRAF- Ärzten war gelungen, die äußere Blutung zu stoppen, dennoch konnten sie die
immer stärker werdende innere Blutung aufgrund fehlender medizinischer Ausstattung nicht
unter Kontrolle bringen. Als ich sie im Krankenbett besuchte, sagte sie, sie sei am Bein von
Schüssen getroffen worden und mich tröstend sagte sie: „Was auch immer das Ergebnis sein
mag, das ist ein noch hundertmal stärkerer Schlag gegen das in unserem Land herrschende
Regime.“
Die Ärzte haben gesagt, sie müsse unverzüglich in ein besser ausgestattetes Krankenhaus
transferiert werden. Wir sind in Richtung des „Krankenhauses neuer Irak“, das nichts anderes
ist als ein unter der Kontrolle der irakischen Einheiten stehendes Folterzentrum, geeilt. Zuerst
haben sie uns nicht reingelassen; nach einigen Stunden Zeitverlust haben wir sie endlich
überredet, dass wir diese Patientin in ein Krankenhaus nach Bagdad transferieren. Der
Krankenwagen verließ gegen 11:00 Uhr, nämlich 5 Stunden nach der Verletzung meiner
Tochter das Camp ASHRAF. Erstaunlicherweise dauert die 2 Kilometer Entfernung vom
„Krankenhaus neuer Irak“ bis zur Hauptstrasse eineinhalb Stunden! Sie hielten uns siebenmal
auf dieser Strecke an, um aus verschiedenen Gründen auch immer Zeit zu vergeuden. Ich
habe durch das Fenster des Krankenwagens nach außen geschaut und sah den „Dr. Omar
Khalid“, den Chef des „Krankenhaus neuer Irak“, der den Wagen angehalten hatte und mit
den irakischen Offizieren sprach, als wäre nichts passiert. Bei dem letzten Kontrollposten hat
ein irakischer Major den Krankenwagen angehalten und sagte, dass die Begleitpersonen ins
ASHRAF zurückkehren müssen. Auch hier mussten wir 45 Minuten warten, während der
Zustand meiner Tochter von Minute zu Minute schlimmer wurde. Ich sagte dem Offizier, dass
der Zustand der Patientin sehr kritisch sei. Er flüsterte aber seinem in der Nähe stehenden
Kollegen zu: „So ist es gut; auch wir wollen, dass sie alle sterben, und er sagt, dass ihr
Zustand kritisch ist.“ Man rief diesen Offizier mit dem Namen „Raed Yaser“
SABA ging sehr schlecht. Durch die innere Blutung hatte sich inzwischen auch die Form
ihres Beines verändert.
Im Empfangbereich des Baquba- Krankenhauses erklärten die Ärzte, SABA müsse sofort
nach Bagdad transferiert werden. Aufgrund des starken Blutverlustes erhielt SABA einen
Schock. Sie war ganz blass und ihre Zähne zitterten. An dieser Stelle sah der „sehr geehrte“
„Raed Yaser“ die Situation passend, um mich noch mehr zu foltern und bot mir an, die
Volksmojahedin zu verraten. Raed Yasser kam zu mir und sagte:
„Wenn Sie ihre Tochter retten wollen, dann verlassen Sie die PMOI und wir werden sofort für
die bestmögliche Behandlung sorgen. Wir werden Sie und Ihre Tochter in die besten Länder
bringen – Frankreich oder wohin immer Sie wollen.“
In diesem Augenblick fühlte ich als wäre vor mir, wie vor 30 Jahren im EWIN- Gefängnis,
ein Folterer und würde mit mir reden. Meine Antwort an ihn war klar. Ich habe mehrmals von
SABA gehört und wir hatten mehrmals zusammen gesungen: Wir werden uns verknechten
lassen! Der Major hat eine weitere eineinhalb Stunde Zeit vergeudet und dann hat er uns
erlaubt, nach Bagdad zu fahren. Als wir das Krankenhaus „Madina al-teb“ erreicht hatten, war
es 17:30 Uhr, 12 Stunden nach SABAs Verletzung. Dort haben sie uns eine weitere
eineinhalb Stunden warten lassen bis sie uns sagten: „Wir haben hier nicht die erforderlichen
Fachärzte, die die Operation durchführen können und Sie müssen in ein anderes
Krankenhaus gehen.“
Dass SABA direkt in ein Fachkrankenhaus transferiert werden musste, war auch denen im
„Krankenhaus neuer Irak“ klar und sie wussten das.
Als wir das Krankenhaus Adnan erreicht haben, war SABA schon bewusstlos. Ein Offizier
und drei Soldaten haben mich die ganze Zeit wie einen Gefangenen bewacht und ließen nicht
zu, die Angelegenheit zu verfolgen und mit den Ärzten und Krankenschwestern zu sprechen.
Sie schickten die Soldaten, um die Sache zu klären, die aber nichts anderes taten, als Zeit zu
vergeuden. Da kam ein Arzt und sagte: „Sie müssen schnell Blut besorgen, ansonsten kann
das Schlimmste nicht verhindert werden.“ Sie verlangten von mir Blut zu besorgen, während
sie weder erlaubten, mich frei zu bewegen noch erlaubten sie mir meine Handy zu benutzen,
um in ASHRAF Blutspende zu fordern. Ein Soldat sagte, er gehe Blut zu holen, kam aber
Stunden später und sagte, er habe nirgendwo Blut finden können. Und dann schickte man
einen anderen Soldat und dieses Spielchen wurde mehrmals wiederholt. Ich sagte, lassen Sie
mich die normalen Bürger um Hilfe bitten und einen schicken, der Blut besorgt oder lassen
Sie mich die Besucher um Blutspende bitten, da kann doch jeder helfen, der die Blutgruppe O
+ hat, sie sagten das sei nicht möglich.
Vor meinen Augen schmolz SABA wie eine Kerze, als würde meine Seele von Moment zu
Moment meinen Körper verlassen. Meine Tochter verwelkte vor meinen Augen und sie ließen
nicht zu, irgendetwas für sie zu tun. In allen drei Krankenhäusern, sagten die Ärzte immer das
gleiche, als sie SABA sahen: „Warum sind Sie zu spät gekommen?“ Und ich konnte die Frage
selbstverständlich nicht beantworten, da der irakische Offizier irgendwie die Antwort parat
hatte. Sie machten aus einer normalen Wunde eine tödliche Wunde und haben ihre Mission,
meine unschuldige Tochter zu töten, vervollständigt.
Meine SABA wurde 1981 in Teheraner EWIN- Gefängnis geboren. Sie war zwei Jahre alt, als
sie freigelassen wurde. Über die Berge verließ sie den Iran und ging nach Deutschland. In
Deutschland ging sie zur Schule und absolvierte eine Ausbildung. Obwohl sie in Deutschland
volle Freiheiten hatte, sah ich sie aber überraschend eines Tages im Jahre 2000 in ASHRAF,
ich fragte hattest du Sehnsucht nach mir? Sie sagte: „Kann es sein, dass ich keine Sehnsucht
nach dir gehabt hätte! Ich bin aber gekommen, um mich zusammen mit den anderen
Mojahedin in ASHRAF für die Freiheit und Demokratie in meinem Land einzusetzen. Sie
widmete ihr Leben der Freiheit ihres Landes mit 29 am Morgen des 9.Aprils. Ihre Schwester
SARA ist hier in ASHRAF. SARA und ich schwören zusammen mit anderen Mojahedin,
ihren Weg fortzusetzen. Wie sie in den letzten Atemzügen ihres Lebens sagte: „Wir bleiben
bis Ende standhaft, wir werden bis Ende stehen bleiben.“
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